Alaska! Woran denkt man, wenn man dieses Wort hört? Kälte, Wildnis und Einsamkeit? Das „große Land“, wie es die Ureinwohner nennen, ist viel mehr als das. Es bietet grandiose Landschaften, gigantische Gletscher, sattgrüne Wälder und Ortschaften in denen die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Für Wohnmobilisten jedenfalls ist es ein Paradies, denn es bietet Freiheit pur und trotzdem die Sicherheit, jeden Abend ein perfektes Plätzchen zum Übernachten zu finden.
Unsere Reise startet in Whitehorse und somit in Kanada, mitten im Yukon-Territorium. Das Wohnmobil haben wir von Deutschland aus vorgebucht, was nicht nur zur Hauptreisezeit, die von Mai bis September dauert und in der auch viele US-Amerikaner unterwegs sind, ratsam ist. Zur Auswahl standen Wohnmobile jeglicher Größe, einschließlich echter Dickschiffe. Um aber auch bei schwierigen Straßenverhältnissen und schlechten Wetterbedingungen sicher unterwegs zu sein, haben wir uns für ein vierradgetriebenes Fahrzeug mit aufgesetzter Wohnkabine entschieden. Für die nächsten 3,5 Wochen wird dieses 300 PS starke Gefährt, das wir aufgrund seines Motorgeräuschs und manchmal etwas ungewohnten Fahrverhaltens nur noch „das Tier“ nennen werden, unser Zuhause sein.
Wir folgen dem Weg der Goldsucher, die im 19. Jahrhundert dem Ruf des Edelmetalls erlegen waren, entlang dem Yukon River Richtung Dawson City.
Unterwegs bieten sich hier und auch im weiteren Verlauf der Tour (sowohl in Kanada als auch im Gebiet der USA) staatliche Campgrounds zur Übernachtung an. Diese sind minimalistisch ausgestattet, aber extrem kostengünstig. Und wer braucht an einem solchen Platz mehr als eine Grillstelle und Feuerholz? Alle staatlichen Campingplätze, die wir während unserer Reise gesehen haben, waren wunderschön gelegen, sauber und ruhig. Alternativ findet man aber auch immer wieder private Stellplätze. Diese bieten meist Strom, sanitäre Einrichtungen, „Dump Stations“ zum Entsorgen und zum Teil sogar einen drahtlosen Internetzugang oder ein Internetcafe.
Im Gegensatz zu uns, die wir uns auf gut ausgebauter Straße bewegen, mussten sich die Goldsucher zu Fuß über steile Pässe quälen oder mit den Stromschnellen des Yukon kämpfen.Die so genannten „Five Finger Rapids“ beispielsweise konnten Raddampfer nur durchfahren, in dem sie sich an ihren eigenen Ankerketten stromaufwärts zogen.
Aber auch ganz andere Dinge machten den Goldsuchern das Leben schwer. Die amerikanischen Zöllner ließen die Glücksritter die Grenze zwischen Kanada und dem 49. Staat der USA nur dann passieren, wenn sie eine Tonne an Lebensmitteln und Ausrüstung mit sich führten. Diese sollten ihr Überleben in der Wildnis sichern, machten es aber nötig jeden Weg, jeden Pass, jeden Fluss immer wieder und wieder zu überwinden, um das gesamte Material auf die andere Seite zu schaffen.
Dawson City (2000 Einwohner) versprüht auch heute nach den Charme des Gold Rush. Die Häuser sind liebevoll restauriert. Es ist offensichtlich, dass der Tourismus eine wichtige Einnahmequelle darstellt. Trotzdem - man spürt es an jeder Ecke - dieser Ort lebt. Wir schlendern durch die Straßen, halten Ausschau nach dem Saloon und werfen einen Blick in den General Store, in dem der moderne Trapper auch heute noch alles zum Leben Notwendige bekommt. Fast alles. Denn wir machen uns hier auf die Suche nach einem Eisenwarenladen. Wir brauchen dringend einen Kochtopf, denn man hat uns ohne Kochgeschirr auf die Reise geschickt. Als wir dies bemerkten, war es zum Umkehren bereits zu spät und die Autovermietung bittet uns am Telefon, doch unterwegs alles Notwendige zu kaufen.
Mit der (kostenlosen!) Fähre geht es über den Yukon und wir nähern uns einem Stück Straße mit einem beispiellosen Namen. Der „Top of the World“ Highway führt uns durch endlose Weiten.
Wir haben Glück, das Wetter ist gut, die geschotterte Straße trocken aber staubig. Dies kann aber auch anders sein, bei Regen verwandelt sich die Strecke in eine seifige Rutschpartie, die das Fahren mit großen Mobilen unmöglich machen kann.
Wir lassen „Chicken“, das winzige Nest mitten im Nichts, links liegen, denn hier gibt es außer einem kleinen Flugplatz und einem privaten Stellplatz nicht wirklich viel zu sehen, finden aber bald einen traumhaften Platz für die Nacht. Weiter geht es am nächsten Morgen Richtung Tok. Tok ist ein Verkehrsknotenpunkt. Hier kreuzen sich die Wege die Dawson City, Fairbanks, Anchorage und Scagway verbinden.
Wir jedenfalls fahren weiter Richtung Fairbanks und geraten in schlechtes Wetter. Nieselregen und schlechte Sicht lassen trübe Stimmung aufkommen.
Doch auch solche Streckenabschnitte bergen Erlebnisse. Uns jedenfalls winkt ein anderer Wohnmobilist an den Straßenrand. Der US-Amerikaner hat keinen Sprit mehr und ist mit samt Familie liegen geblieben. Dies erinnert uns daran, dass es hier wichtig ist, jede Gelegenheit zum Tanken zu nutzen, auch wenn der Tank noch halb voll sein sollte, aber auch, dass hier jeder jedem hilft. Wir fühlen uns sicherer als auf mancher Autobahn in Europa. Wenn man in Alaska zum Fotografieren stoppt, passiert es häufig, dass das nächste Auto anhält und der Fahrer sich erkundigt, ob man Hilfe benötigt. Trotzdem muss man sich keine Sorgen machen, einen Stau zu verursachen; dass nächste Auto kommt wahrscheinlich erst in einer halben Stunde vorbei.
Vor Fairbanks kommen wir durch Northpol, dem Ort der erst in den 50er Jahren seinen heutigen Namen annahm und sich zum Wohnsitz des Weihnachtsmanns erklärte. Neben Kitsch und Kuriosem sehen wir hier unseren ersten frei lebenden Elch….mitten in der Stadt, aber das ist hier nicht wirklich etwas Ungewöhnliches.
Auch Fairbanks selbst hat einiges zu bieten. Wir durchstreifen ein Naturschutzgebiet und treffen dabei auf Kanadareiher, Eulen und auf Studentinnen der Universität, die mit zwischen den Bäumen gespannten Netzen Singvögel fangen, um sie zu Forschungszwecken zu beringen. Von anderen mobilen Reisenden erfahren wird später, dass auch die auf dem Fluss angebotenen Schiffstouren empfehlenswert sind. Diese sind zwar touristisch angehaucht und die Indianer, auf die man an den Anlegepunkten trifft, gehen auch nicht wirklich zufällig ihren traditionellen Beschäftigungen nach. Nichtsdestotrotz bekommt man einen guten Einblick in das Leben der Menschen in dieser Region.
Für uns kommt dieser Hinweis zu spät, denn wir sind schon auf dem Weg zu einem der Höhepunkte dieser Reise.
Uns zieht es zum Denali Nationalpark. Der Name des Park leitet sich von dem Wort „Denali“ = „der Hohe“, der Bezeichnung der Ureinwohner für den höchsten Berg der USA, dem Mount McKinley, ab. Der Berg überragt den Park. Wie die meisten anderen Besucher bekommen wir ihn aber nicht zu sehen, denn auch heute hüllt er sich, wie an 300 weiteren Tagen im Jahr, in Wolken.
Der Park allein aber ist eine Reise wert. Nur mit dem Bus oder mit einer Ausnahmegenehmigung kann man hineingelangen. Uns schreckt zwar die Idee, an einer geführten Tour teilzunehmen; wir werden aber eines besseren belehrt. Wir sehen Karibus, seltene Dallschafe und Wölfe, eine traumhafte Landschaft und Bären. Gänsehaut, was für ein Erlebnis.
Die Schilder an den Campingplatzen und Wanderpfaden haben es uns zwar schon die ganze Zeit versucht deutlich zu machen. Wir sind im Land der Bären. Aber erst die direkte Begegnung macht uns klar, dass eine Begegnung mit den Königen der Wildnis jederzeit möglich, aber auch gefährlich sein kann. Über das richtige Verhalten bei einem Zusammentreffen klären Informationstafeln und Touristeninformationen auf. Unfälle sind selten. Ein Kribbeln in der Magengrube bleibt, echte Angst aber nicht.
Uns treibt es weiter und anstelle direkt nach Anchorage zu fahren, wagen wir den von unserem Reiseführer empfohlenen Abstecher über den Hatchers Pass. Es erwarten uns eine unglaubliche Aussicht, aktive Goldminen und eine Straße, die uns dankbar dafür macht, dass wir ein geländegängiges Fahrzeug gewählt haben. Wir kommen nur sehr langsam voran. Wer in Eile ist, der hat das falsche Reiseziel gewählt. Spätestens hier muss man sich auf den Rhythmus des Landes einlassen und zur Ruhe kommen.
Anchorage (280.000 Einwohner) ruft uns zurück in die Wirklichkeit. Hier wohnt die Hälfte aller Einwohner Alaskas. Die Stadt ist zwar nicht die Hauptstadt, diese ist das nur per Schiff oder Flugzeug erreichbare und heißt Juneau, eine Metropole ist Anchorage trotzdem. Bei genauem Hinsehen, offenbart Anchorage seinen Reiz. Wenn man die Anglern, bei denen es sich oftmals um Werktätige handelt, die ihre Mittagspause nutzen, um das Abendessen zu fangen, beim Lachsfang beobachtet, weiß man wieder, dass hier die Uhren anders gehen.
Wir nutzen unseren Aufenthalt, um das National Heritage Zentrum zu besuchen, in dem versucht wird, die Kultur und Tradition der Ureinwohner lebendig zu halten. Junge Angehörige der „First Nations“, wie die Indianer hier politisch korrekt genannt werden, erklären die einzelnen Ausstellungsstücke, bringen uns aber auch die Sportarten ihrer eigenen Olympiade näher.
Wir fahren weiter Richtung Kenai-Halbinsel. Ein Abstecher zum Portage Gletscher beschert uns ein Erlebnis der besonderen Art. In diesem Tal vor Whittier fangen sich Wetter und Wind und so haben wir in dieser Nacht das Gefühl, dass im Minutentakt ein ICE durch unsere Schlafstätte rast.
Jede schlaflose Nacht hat aber ein Ende. Am nächsten Tag geht es weiter nach Seward, einem an einem traumhaften Fjord gelegenen Hafenstädtchen und DER Hochburg des Wohnmobiltourismus in Alaska. Wir gehen spazieren, besuchen das sehenswerte Aquarium und verbringen mit unseren Wohnmobilnachbarn aus Texas und Wisconsin kommunikative Stunden am Lagerfeuer. Es wird geteilt: Feuerholz, Bier und frisch gefangener Lachs. Hier wollen wir bleiben. Für 3 Tage machen wir Urlaub vom Urlaub und lassen die Seele baumeln.
Eigentlich warten wir aber nur auf den perfekten Tag für eine Bootstour zu den nur über das Wasser erreichbaren Gletschern des Harding Icefield. Endlich ist es soweit. Wir wählen eines der kleineren Boote, das nur 20 Passagiere aufnehmen kann. Größere Schiffe bieten luxuriöse Verpflegung und größeren Komfort.
Wir bevorzugen eine Abfahrtzeit am frühen Morgen und hoffen durch die kleinere Gruppe auf das besondere Erlebnis Wir werden nicht enttäuscht. Unsere Kapitänin verspricht uns, dass wir die ins Meer kalbenden Gletscher bei Sonnenschein erleben werden. Ein Blick in den frühmorgendlichen Dunst lässt uns ihre Worte anzweifeln. Nach kurzer Fahrt wird es aber heller. Wir sehen Seeotter, Trottellummen und Seelöwen. Als wir auf Buckelwale und Orcas treffen, scheint das Glück perfekt. Auch wenn keiner an Bord schnell genug die Kamera zückt, als einer der Orcas keine 5 Meter vom Boot zum Sprung ansetzt. Im Kopf aber hat es „klick“ gemacht; das Bild bleibt, auch ohne Photo.
Aber auch dieses Erlebnis ist nach steigerungsfähig. Wir nähern uns den Gletschern. Unsere Crew manövriert uns durch das im Wasser treibende Eis ganz dicht an die Gletscher heran und stoppt den Motor. Totenstille - nur der Gletscher knirscht und stöhnt und immer wieder stürzen kleinere und größere Eisbrocken in den Ozean.
2000 Jahre altes Eis! Einer der Matrosen fischt eine Scholle aus dem Wasser und wir fragen uns, ob wir das Eis mit Whiskey veredeln sollen. Wir lassen es; irgendwie erscheint uns das aufgrund der fast sakralen Stimmung nicht passend.
So gern wir in Seward bleiben würden, wir wollen weiter und machen uns auf nach Homer.
Da und die Strecke nicht wirklich überzeugt, drehen wir in Kenai Stadt um und fahren zurück nach Anchorage. Andere mögen anders denken, aber für uns war es die richtige Entscheidung. Etwas genervt treffen wir am Highway auf mehrere eilig abgestellte Fahrzeuge und halten an. Das Schauspiel, das sich uns bietet, ist kaum zu beschreiben, geschweige denn in Worte zu fassen. Im Fluss unterhalb des Highway bieten sich zwei junge Bären einen spielerischen Schaukampf. Für diese beiden ist das alles nur eine Vorbereitung auf die raue Wirklichkeit, für uns Zuschauer aber ist es Nervenkitzel pur.
Straßenbau in unwirtlichem Gelände
Langsam aber sicher neigt sich unsere Reise dem Ende zu und wir fahren über den Glen und Alaska Highway zurück nach Whitehorse. Der Alaska Highway wurde im zweiten Weltkrieg in Rekordtempo gebaut, um eine Versorgung der Truppen im Norden sicherzustellen. Heute stellt er die mehr oder weniger komfortable Verbindung zwischen Anchorage und Whitehorse dar, denn er besteht zu einem großen Teil aus Schlaglöchern.
Diese rühren daher, dass der Highway, wie im übrigen alle Bauwerke hier, auf in der Tiefe dauerhaft gefrorenem Boden, so genanntem „Permafrost“, gebaut sind. Durch sonnen- oder heizungsbedingte Wärme taut die obere Schicht auf. Das Gebäude oder die Straße fängt an zu schwimmen. Häuser wie auch Telefonmasten versinken, in den Straßen bilden sich Löcher.
Wir fahren vorbei am Matanuska-Gletscher, auf dem man gegen Gebühr einen unvergesslichen Spaziergang unternehmen kann, übernachten in Burwash-Landing, einer verschlafenen Indianersiedlung, die uns einen kostenlosen Stellplatz gewährt und gelangen schließlich nach Haines Junction. Hier sind wir verabredet.
Wir wollen uns mit einem anderen Paar treffen, um gemeinsam einen Rundflug mit einem Kleinflugzeug über die Gletscher zu unternehmen. Und tatsächlich, die beiden sind pünktlich. Aber spielt das Wetter mit? Auch wenn es nicht wirklich viel versprechend aussieht, entschließen wir uns, den Flug zu unternehmen.
Der Pilot warnt uns, dass es holprig werden wird. Leider hat er Recht. Wir versuchen uns, unsere Kameras und in den heftigsten Momenten selbst die Sitze der Mitfliegenden festzuhalten. Nach kurzer Zeit sind solche Nebensächlichkeiten aber vergessen. Wie Autobahnen wirkende Gletscherzungen, unwirklich blaue Seen und Flüsse in Form eckiger Mäander auf der Gletscheroberfläche fesseln den Blick. Der Pilot geht tiefer und wir sehen kalbende Gletscher, aber auch Elche und Bären. Auch wenn einzelne Passagiere mit Unwohlsein zu kämpfen haben, ist der Flug viel zu schnell zu Ende. Trotzdem, er bildet den krönenden Abschluss unserer Reise.
Das Ende naht ...
Nach etwa 3.500 km erreichen wir wieder Whitehorse, sehen endlich einen Weißkopfadler, das Nationaltier der USA, und müssen uns von unserem „Tier“, das uns mittlerweile ans Herz gewachsen ist, trennen. Die besenreine Rückgabe, Endabnahme des Autos und der Transport zum Flughafen sind völlig unproblematisch.
Ein fantastischer Urlaub ist zu Ende. Es könnte sein, dass wir irgendwann wiederkommen.
….sobald wir all die anderen interessanten Orte gesehen haben, die diese Welt zu bieten hat.
N23
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